Welchen Einfluss haben Umweltfaktoren auf Allergien?

Neu gegründetes Mainz Center for Chemical Allergology (MCCA) untersucht die chemischen Grundlagen von Allergien

19. Juni 2015

Seit kurzem arbeiten Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und des Instituts für Translationale Immunologie (TIM) der Universitätsmedizin Mainz in einer neu geschaffenen Plattform zusammen: Im Mainz Center for Chemical Allergology (MCCA) untersuchen Wissenschaftler beider Institutionen gemeinsam, inwiefern Einflüsse wie die Belastung der Atmosphäre mit Schadstoffen oder die Veränderung der Zusammensetzung von Nahrungsmitteln Allergien verstärken. Voraussetzung dafür ist ein tieferes Verständnis, wie Allergene durch die Umwelt verändert werden können und wie sich dadurch die Immunreaktionen des Körpers ändern. Dies soll die Grundlage für ein besseres Verständnis der ständig zunehmenden Hypersensitivitäten schaffen und Wege für effektive Behandlungen und gezielte vorbeugende Maßnahmen aufzeigen.

Initiatoren des MCCA sind Professor Dr. Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, und Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie an der Universitätsmedizin Mainz. Die Wissenschaftler und Mediziner des MCCA erhoffen sich durch die Bündelung ihrer Fachkompetenzen, die in dieser Form bisher einmalig ist, einen raschen Erkenntnisfortschritt in der Forschung zu Allergien und anderen Hypersensitivitäten.

„Studien haben gezeigt, dass bisher bekannte Allergene sich unter anderem durch Umweltverschmutzung oder Anbaubedingungen und Züchtung von Nutzpflanzen verändern können, wie wir beispielsweise für Weizen zeigen konnten. Ihre Eigenschaften können modifiziert werden und somit auch die Art und Schwere der Allergien oder Hypersensitivitäten, die sie auslösen“, erläutert Detlef Schuppan den Forschungsansatz des interdisziplinären Zentrums. Der Mediziner hatte entdeckt, dass der erhöhte Gehalt der sogenannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren in glutenhaltigem Getreide Allergien und Autoimmunerkrankungen verstärken kann.

„Mit der Bezeichnung ‚chemische Allergologie‘ haben wir einen neuen Begriff geprägt. Er beschreibt, dass wir nicht nur empirische Zusammenhänge feststellen, sondern die grundlegenden chemischen Prozesse aufklären wollen, die für das Auftreten von Allergien und den Einfluss von Umweltschadstoffen verantwortlich sind“, beschreibt Ulrich Pöschl den Zusammenhang zwischen Forschungszentrum und Namensgebung.

MCCA will grundlegende chemische Prozesse von Allergien aufklären

Auf Seiten des Max-Planck-Instituts für Chemie hat Dr. Kurt Lucas, Gruppenleiter in der Abteilung Multiphasenchemie, die operative Leitung übernommen. Seitens des Instituts für Translationale Immunologie leitet PD Dr. Ernesto Bockamp den molekularbiologischen Teil der Initiative.

Zusammen mit derzeit drei Doktoranden werden zwei Themenfelder bearbeitet. Zum einen möchten die Wissenschaftler herausfinden, wie spezifische Entzündungsprozesse, die Allergien und Hypersensitivitäten verstärken, im menschlichen Körper mithilfe von Pflanzeninhaltsstoffen gehemmt beziehungsweise unterbrochen werden können. „Grundlage für unsere Forschung ist die Entdeckung, dass die Mehrzahl aller Entzündungen im Körper einen universellen molekularen Kreislaufprozess aufweist“, erläutert Kurt Lucas. Als Beispiel nennt er allergisches Asthma und Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, multiple Sklerose und chronisch entzündliche Darmerkrankungen.

Des Weiteren gehen die Wissenschaftler des MCCA der grundlegenden Frage nach, was einen Stoff überhaupt erst zu einem wirksamen Allergen oder Immunogen macht. Sie untersuchen dabei die immunstimulierenden Eigenschaften von Allergenen und möchten herausfinden, warum bestimmte Stoffe die Bildung von Antikörpern oder Zellantworten auslösen und es damit zu einer Allergie kommt. Im Fokus steht, inwieweit die entzündungsfördernde Wirkung von bekannten Pollen- oder Nahrungsmittelallergenen durch chemische Veränderung verstärkt wird. Allergene können zum Beispiel durch Ozon oder Stickoxide in der Atmosphäre, aber auch als Katalysereaktion auf mikroskopischen Staubpartikeln chemisch verändert werden.

Obwohl die Wissenschaftler erst seit kurzer Zeit gemeinsam forschen, können sie bereits erste Ergebnisse vorweisen. So konnten sie bereits einige vielversprechende anti-entzündliche Pflanzenextrakte identifizieren, die spezielle zelluläre Entzündungssensoren hemmen, die sogenannten Toll Like Rezeptoren. Zurzeit werden die aktiven Inhaltsstoffe der Extrakte charakterisiert.

Über das Max-Planck-Institut für Chemie
Ziel des Max-Planck-Instituts für Chemie ist ein integrales Verständnis der chemischen Prozesse im Erdsystem, insbesondere in der Atmosphäre und Biosphäre. Untersucht werden vielfältige Wechselwirkungen zwischen Luft, Wasser, Boden, Leben und Klima im Verlauf der Erdgeschichte bis zum heutigen durch Menschen geprägten Zeitalter, dem Anthropozän. Derzeit sind etwa 300 Mitarbeiter in vier Abteilungen und Forschungsgruppen am Institut beschäftigt, das zu Ehren seines ehemaligen Direktors den Beinamen Otto-Hahn trägt. Das Institut wurde 1912 als Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin gegründet und ist seit 1949 in Mainz.

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de. Das TIM ist ein neugegründetes Institut mit dem Ziel, neue Ergebnisse der Grundlagenforschung direkt in die klinische Praxis umzusetzen.

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