Neues Mittel gegen Schiffsbewuchs entdeckt
Max-Planck-Forscher testen Umweltverträglichkeit bakterizider Nanopartikel in Schiffslacken
Das üppige Wachstum von Algen, Bakterien und Seepocken an Schiffskörpern könnte bald auf umweltfreundliche Weise beendet werden. Forscher der Johannes Gutenberg-Universität um Professor Wolfgang Tremel vom Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie haben nun eine Möglichkeit gefunden, den natürlichen Verteidigungsmechanismus von Braun- und Rotalgen nachzuahmen, um so marines Fouling zu unterbinden. Diese Algen enthalten bestimmte Enzyme, die Halogenverbindungen mit biozider Wirkung erzeugen. Denselben Effekt ahmten die Wissenschaftler mithilfe von Vanadiumpentoxid-Nanopartikeln nach und mischten diese verschiedenen Lacken bei.
In den nachfolgenden Versuchen zeigte sich, dass Stahlplatten, die mit Lacken beschichtet sind, die Vanadiumpentoxid-Partikel enthalten, wochenlang dem Meerwasser ausgesetzt werden können, ohne dass sich Ablagerungen von Seepocken, Bakterien und Algen bilden. Vergleichsplatten, die nur mit normaler Schiffsfarbe gestrichen waren, zeigten im gleichen Zeitraum ein massives Fouling.
Um herauszufinden, ob die Nutzung des Vanadiumpentoxids negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, wurden mithilfe der Forschergruppe um Dr. Klaus Peter Jochum vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz mehrere Messungen durchgeführt. Dazu bestimmten die Wissenschaftler mit einem hochempfindlichen ICP-Massenspektrometer die Vanadiumkonzentration in verschiedenen Meerwasserproben, in denen das beschichtete Material unterschiedlich lang ausgewaschen wurde. Die gemessenen Werte zeigten im Vergleich mit der durchschnittlichen Vanadiumkonzentration im Meerwasser nur minimal erhöhte Werte. Somit kann davon ausgegangen werden, dass allenfalls kleinste Mengen an Vanadium aus der Lackierung ausgewaschen werden, die keine Belastung für die Umwelt darstellen.
Marines Fouling ist ein Problem, das in der Schifffahrt jährlich Verluste von über 200 Milliarden Dollar verursacht. Die Anlagerung von Organismen wie Algen, Muscheln oder Seepocken erhöht den Wasser-Widerstand und damit den Treibstoffverbrauch. Das verursacht mehr Kosten für die Reedereien und schädigt die Umwelt durch zusätzlichen CO2-Ausstoß. Innerhalb weniger Monate kann ein Bootskörper unter Wasser vollständig mit Organismen bewachsen werden. Nach Angaben von Lloyds bedeutet das bis zu 28 Prozent Zusatzverbrauch an Kraftstoff, verbunden mit zusätzlichen CO2-Emissionen von weltweit ca. 250 Millionen Tonnen jährlich. Mit Antifouling-Farben kann das Problem zwar eingedämmt werden, allerdings haben herkömmliche Biozide den Nachteil, dass sie wenig wirksam sind, unerwünschte Umweltbelastungen zeigen oder Mikroorganismen Resistenzen dagegen entwickeln.
Lernen von der Natur
Vermutlich schützen sich die Braun- und Rotalgen mithilfe der Enzyme, die biozide Halogenverbindungen erzeugen, vor mikrobiellem Befall oder Fraßfeinden. Diesen Vorgang ahmen die Mainzer Chemiker mit Nanopartikeln aus Vanadiumpentoxid nach. Vanadiumpentoxid (V2O5) hat, so schreiben die Forscher in dem Wissenschaftsjournal Nature Nanotechnology, eine „intrinsische, biologische Prozesse nachahmende Bromierungsaktivität“. Vanadiumpentoxid fungiert demnach als Katalysator und bildet aus Wasserstoffperoxid und Bromid kleine Mengen hypobromiger Säure, die für viele Mikroorganismen hoch toxisch ist und einen starken antibakteriellen Effekt zeigt. Die nötigen Reaktionspartner liegen im Meerwasser vor: Wasserstoffperoxid bildet sich in geringen Mengen unter Einwirkung von Sonnenlicht, Bromid-Ionen sind ebenfalls im Meerwasser enthalten.