Flüge ins Unbekannte - Mit dem Höhenforschungsflugzeug in die oberen Stockwerke des asiatischen Monsuns

Gemeinsame Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Internationales Wissenschaftlerteam untersucht die Luft in Höhen von bis zu 20 Kilometern  – Mainzer Forscher entwickeln spezielle Messgeräte für die Analyse der Staubteilchen in der Stratosphäre

1. August 2017

Der asiatische Monsun ist eines der dynamischsten und energiereichsten Wettersysteme unseres Planeten. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) führt jetzt von Nepal aus erstmalig Forschungsflüge mit einem Höhenforschungsflugzeug in die oberen Bereiche des Monsuns aus. Anhand der Ergebnisse wollen sie das globale Klimasystem besser verstehen. Teil des Teams sind Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI für Chemie) und des Instituts für Physik der Atmosphäre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Sie entwickelten neun Messinstrumente zur physikalischen und chemischen Analyse von Staubteilchen und Wolken, die an Bord des Messflugzeugs eingebaut wurden.

Während unseres Sommers hat der asiatische Monsun Einfluss auf das Wettergeschehen der gesamten Nordhemisphäre. Wie in einem riesigen Fahrstuhl werden hier enorme Mengen an Luft bis in über 16 Kilometer Höhe geschleudert. Damit erreichen sie bereits den Übergangsbereich zur Stratosphäre, dem hohen Bereich der Atmosphäre, in der die Ozonschicht liegt. In der Stratosphäre verweilt die im Monsun dorthin gelangte Luft jahrelang und breitet sich weltweit aus. Satellitenbilder zeigen direkt oberhalb des Monsuns eine dünne Wolke aus Aerosolen, in der Luft schwebende kleine Tröpfchen oder Staubkörnchen, welche sich über Südasien von der arabischen Halbinsel bis zur Ostküste Chinas erstreckt.

Aerosole können erwärmend oder abkühlend auf das Klima wirken, je nach ihrer Zusammensetzung und abhängig davon wie sie in komplizierter Weise mit Wolkenbildungsprozessen wechselwirken. Der Klimaeffekt von Aerosolen gilt als einer der größten Fehlerquellen bei der Vorhersage von Klimaänderungen. Die Zusammensetzung und Herkunft der Aerosolwolke über dem Monsun sowie die Prozesse, die zu ihrer Bildung führen, zählen zu den großen Rätseln der Klimaforschung. Es ist daher auch unbekannt, wie der Monsun auf Änderungen der Emission von Luftschadstoffen oder auf Klimaänderungen reagieren wird.

Diese Lücke will ein internationales Wissenschaftlerteam nun schließen. Im StratoClim-Projekt arbeiten 37 wissenschaftliche Organisationen aus elf europäischen Ländern, den USA, Bangladesch, Indien und Nepal unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts zusammen. Projektleiter Markus Rex vom AWI erklärt: „Erstmals ist es uns jetzt möglich, die Zusammensetzung der Luft zu studieren, die sich nach dem Transport durch den Monsun in der Stratosphäre ausbreitet.“ Nach jahrelangen Bemühungen verschiedener internationaler Forscherteams und mehreren gescheiterten Versuchen ist es dem Konsortium nun gelungen, Zugang zu diesem Luftraum mit einem Höhenforschungsflugzeug – der „M55-Geophysika“ – zu erhalten.

Mainzer Messgeräte an Bord

An Bord der Geophysika kommt dabei ERICA zum Einsatz, ein weltweit einmaliges Aerosolteilchenmassenspektrometer, das speziell für diese Messflüge entwickelt und in Mainz gebaut wurde. In dem Instrument werden die Aerosolteilchen entweder durch Laserbeschuss oder durch schnelle Erhitzung verdampft. Das dabei freigesetzte gasförmige Material wird in elektrisch geladene Ionen umgewandelt, deren Massen mit Hilfe eines Massenspektrometers gemessen werden können. So erhalten die Wissenschaftler direkte Informationen über die chemische Zusammensetzung einzelner Staubteilchen.

Die Entwicklung von ERICA (ERc Instument for the Chemical composition of Aerosols) wurde von der EU über einen ERC Advanced Grant von Prof. Dr. Stephan Borrmann finanziert, der sowohl Professor am Institut für Physik der Atmosphäre der JGU als auch Direktor am MPI für Chemie ist und das Mainzer Team aus 14 Wissenschaftlern leitet. Insgesamt steuerte die Mainzer Gruppe 9 der 25 Instrumente zur Geophysika für StratoClim bei.

Zusätzlich werden während des Flugs Staubpartikel auf speziellen Probenträgern in Flughöhe aufgefangen und für spätere Laboranalysen gesammelt. Vier weitere Instrumente an Bord des Flugzeugs erfassen die physikalischen Eigenschaften der Tropfen und Eiskristalle in den hohen Monsunwolken und Cirren. Drei Geräte dienen der Messung des Feinstaubs und des Ultrafeinstaubs, also der kleinsten atmosphärischen Teilchen.

„Bei den Flügen treten in der Höhe Temperaturen bis minus 90 Grad Celsius auf und Luftdrucke, die einem Zwanzigstel des Bodendrucks entsprechen. Deshalb befindet sich während der Messflüge nur der durch einen Druckanzug geschützte Pilot an Bord der Geophysica, so dass alle Messgeräte vollautomatisch arbeiten müssen“, erklärt Stephan Borrmann. Solche Extrembedingungen stellten eine besondere experimentelle Herausforderung an die Instrumentation dar.

„Angesichts der tausend Dinge, die beim Einsatz derartiger High-Tech Instrumentation unter so schwierigen Bedingungen schiefgehen können, ist es ein kleines Wunder, dass unsere Instrumente schon beim ersten Flug nahezu problemlos funktioniert haben“, freut sich der Atmosphärenphysiker Stephan Borrmann. Sicherlich spiele auch die Erfahrung eine Rolle, so Borrmann weiter, denn seine Mainzer Forschungsgruppe betreibt schon seit 21 Jahren Experimente an Bord der M55-Geophysika.

Insgesamt 9 Forschungsflüge über Asien geplant

Der Leiter des Flugzeugkampagnenteams in StratoClim Fred Stroh vom Forschungszentrum Jülich berichtet: „Am 20. Juli konnte die russische M55-Geophysika erstmals in Kathmandu (Nepal) landen und hat jetzt ihre erste wissenschaftliche Mission in den Lufträumen Nepals, Indiens und Bangladeschs durchgeführt. Bei ihrem Einsatz trug die M55-Geophysika 25 speziell entwickelte Messinstrumente in Flughöhen von über 20 Kilometern Höhe – etwa zweifach höher als übliche Flugzeuge erreichen können.“ Dies ist der Auftakt zu einer Serie von neun Forschungsflügen in dieser Region, die noch bis Mitte August 2017 stattfinden und von Messungen mit Höhenforschungsballonen begleitet werden, die von Nepal, Bangladesch, China, Indien und Palau starten.

„Zu verstehen wie der Monsun auf anthropogene Emissionen und Klimaänderungen reagieren wird, ist für die direkt betroffenen Länder in Asien von nahezu existentieller Bedeutung. Durch die Rolle des Monsuns im weltweiten Wettergeschehen und seine entscheidende Bedeutung für die Zusammensetzung der globalen Stratosphäre wird dies aber auch zu einer erheblichen Verbesserung des Verständnisses des Klimageschehens in unseren Breiten führen“, erläutert Markus Rex die Bedeutung der Forschung auch für Europa.

Hintergrundinfo:
Das Forschungsprojekt StratoClim (Stratospheric and upper tropospheric processes for better climate predictions) wird von der Europäischen Union gefördert. Es hat das Ziel, Schlüsselprozesse im Klimasystem der oberen Troposphäre und der Stratosphäre besser zu verstehen, um dadurch zuverlässigere Prognosen des Klimawandels zu ermöglichen. An dem Projekt beteiligen sich mehr als 30 Forschungsinstitute und Universitäten aus 15 hauptsächlich europäischen Ländern unter Federführung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

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