Siliziumgehalt der Ozeane vor 15.000 Jahren höher als heute
Jahrtausende alte Glasschwämme erweisen sich wieder mal als aufschlussreiches Klimaarchiv
Bereits vor mehr als 600 Millionen Jahren lebten die ersten Glasschwämme in den Meeren der Erde. Sie können viele tausend Jahre alt werden und zählen damit zu den ältesten vielzelligen Tieren. Eine aktuelle Studie unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz konnte anhand von Silizium-Isotopenmessungen an Glasschwammquerschnitten und Berechnungen des Germanium-zu-Silizium-Gehaltes in Meerwasserproben herausfinden, dass die Konzentration gelösten Siliziums im tiefen Pazifik vor 14.000 bis 18.000 Jahren zwölf Prozent höher lag als heutzutage. Die Forscher gehen davon aus, dass dies im deglazialen Zeitalter den atmosphärischen CO2- Gehalt beeinflusste. Die Studie ist Ende 2017 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ veröffentlicht worden.
Das Vorhandensein von Silizium im Ozeanwasser ist eine wichtige Voraussetzung für die Existenz von Kieselalgen (Diatomeen). Sie leben an der Meeresoberfläche und bauen ihre Schalen aus gelöstem Siliziumdioxid auf. Diese Kieselalgen sind Bestandteil des für das Leben auf der Erde wichtigen Kohlenstoffzyklus. Der Kohlenstoffzyklus bezeichnet die Gesamtheit aller Prozesse, durch die Kohlenstoff und seine chemischen Verbindungen auf der Erde umgesetzt wird. Während der Photosynthese nehmen die Kieselalgen Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf und wandeln ihn in organischen Kohlenstoff um. Sterben die Kieselalgen, sinken sie in die tieferen Schichten des Ozeans ab. Sie sind für etwa die Hälfte des gesamten in die Tiefsee absinkenden Kohlenstoffs verantwortlich. Damit sind Kieselalgen ein wichtiger Bestandteil, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu regulieren.
Die „Jahresringe“ der Glasschwämme
Das Team um Klaus Peter Jochum aus der Abteilung Klimageochemie am MPI für Chemie in Mainz fand mithilfe von Untersuchungen an fünf, nur wenige Millimeter dicken Querschnitten von Schwammnadeln der Schwammart „Monorhaphis chuni“ mit einem Lebensalter zwischen 5.000 bis 18.000 Jahren heraus, dass die Konzentration von gelöstem Siliziumoxid im tiefen Pazifik vor 14.000 bis 18.000 Jahren etwa um zwölf Prozent höher lag als heutzutage. Vergleichbar mit Jahresringen in Baumstämmen, die Informationen über Waldbrände oder Trockenphasen enthalten, zeigen die Schwammnadelquerschnitte die Konzentration von Nährstoffen im Laufe der Zeit. Sie sind damit ein hervorragendes Archiv, um vergangene Klimaveränderungen aufzuspüren.
„Es gibt nur sehr wenige verfügbare Glasschwammproben solch hohen Alters“, erklärt Gruppenleiter Klaus Peter Jochum, der über die Schwammexperten und Biologen Werner E. G. Müller und Xiaohong Wang des Instituts für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz zu dem faszinierenden Forschungsobjekt kam. Während im Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) die Silizium-Isotope in den Querschnitten gemessen wurden, untersuchte das MPIC-Labor in Mainz die Germanium-Konzentration und verglich die Daten mit aktuellen Tiefseewasserproben.
Silizium und sein „geochemischer Zwilling“ Germanium verhalten sich im Meerwasser sehr ähnlich und ergeben ein heutiges konstantes Verhältnis von Germanium zu Silizium (Ge/Si) von 0,7 µmol/mol. Da die Ge/Si-Ergebnisse der äußeren Ränder der Glasschwammnadeln eine sehr gute Übereinstimmung mit dem Verhältnis des heutigen Meerwassers zeigten, konnten die Mainzer Wissenschaftler sicher sein, dass auch die innersten Ringe der Schwammnadeln ein gutes Abbild ihrer Meerwasserumgebung vor mehreren tausend Jahren archiviert haben.
„Die neuen Daten helfen, eine wichtige Lücke in den Paläo-Nährstoff-Aufzeichnungen zu füllen. Bisher verfügt die Wissenschaft nur über sehr wenig Daten über den Silizium- und Germaniumgehalt in der Tiefsee vor 18.000 Jahren,“ so Gerald Haug, Direktor der Abteilung Klimageochemie. Für Mitautor Flip Froelich von der Duke University in Durham USA kommen für die stark erhöhte Siliziumkonzentration zum Ende der letzten Eiszeit zwei Gründe infrage: „Quellen aus dem Festland wie Wind oder Flüsse könnten dem Ozean während des Deglazials mehr Kieselsäure zugeführt haben. Oder aber es sank weniger in toten Kieselalgen gebundener Kohlenstoff in die Tiefsee ab, worauf eiszeitliche Rekonstruktionen der biologischen Pumpe des Südozeans um die Antarktis hindeuten.“ (AR)