Überraschung aus dem Urwaldboden
Bodenorganismen im Amazonas-Regenwald können die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre beeinflussen
Der Amazonas-Regenwald ist der größte Wald der Erde. Seine Bäume geben eine Vielzahl flüchtiger Substanzen ab, welche die chemische Zusammensetzung der Luft beeinflussen. Dazu gehören auch die sogenannten Sesquiterpene – sehr reaktive chemische Verbindungen, die besonders schnell Ozon abbauen. Bei der Untersuchung der Luftzusammensetzung standen bisher meist die Sesquiterpen-Emissionen von Bäumen und Pflanzen im Fokus.
Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie hat nun herausgefunden, dass auch der Urwaldboden große Mengen an Sesquiterpenen produziert – mitunter genauso viel, wie die Bäume. Gebildet werden sie von Bodenmikroorganismen. Diese Emissionen stellen daher eine wichtige, bisher nicht berücksichtigte Komponente des Ökosystems des Amazonas-Regenwaldes dar. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
„Wir haben bereits in früheren Studien im Amazonasgebiet festgestellt, dass die Ozonwerte zum Boden hin abnehmen. Daher vermuteten wir, dass es dort eine wichtige Quelle reaktiver Moleküle geben muss, die bisher nicht beachtet worden war“, sagt Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Die Sesquiterpene sind Moleküle, die chemisch sehr gut mit Ozon reagieren. Dadurch beeinflussen sie die Selbstreinigungskraft der Atmosphäre – ein Prozess, bei dem Schadstoffe aus der Luft entfernt werden. Die Emissionen aus dem Boden sind für den Abbau fast der Hälfte des bodennahen Ozons verantwortlich. Die Sesquiterpene fungieren zudem als Aerosolpartikel, was wiederum für die Entstehung von Niederschlag wichtig ist.
Für die Studie sammelten die Wissenschaftler zunächst Bodenproben an verschiedenen Orten des Amazonas-Regenwaldes. Besonders viele Proben wurden in der Nähe des Amazon Tall Tower Observatory (ATTO) entnommen, einem Messturm im unberührten Teil des Regenwaldes. Im Labor versetzten die Forscher die Proben mit Wasser, um Regenfälle zu simulieren. Während die Proben trockneten, untersuchten die Wissenschaftler sie auf Emissionen von flüchtigen Substanzen. Dabei zeigte sich, dass sich in den Proben umso mehr Mikroorganismen entwickelten, je trockener sie wurden. Gleichzeitig stieg der Ausstoß an flüchtigen Substanzen, wie etwa Sesquiterpene.
„Wir haben einen starken Zusammenhang zwischen den Sesquiterpen-Emissionen und der mikrobiologischen Aktivität im Boden beobachtet“, sagt Thomas Behrendt, Bodenforscher am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Auf Grundlage dieser Experimente entwickelte Efstratios Bourtsoukidis, Atmosphärenchemiker am Max-Planck-Institut für Chemie, eine Computersimulation zur genauen Vorhersage des Austausches von Sesquiterpenen zwischen Boden und Luft. Er simulierte die täglichen Wechselwirkungen zwischen typischem Urwaldboden und Luft über einen Zeitraum von zwei Jahren. Dabei beobachtete er, dass der Boden in der Trockenzeit teilweise genauso viel Sesquiterpene emittiert, wie die Bäume.
Die Studienergebnisse zeigen, wie wichtig die Verbindung zwischen Bodenmikroben und der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre ist.