Multiphasen-Pufferung durch Ammoniak erklärt große Spannweite im Säuregehalt atmosphärischer Aerosole

In besiedelten Gebieten sind anthropogene Ammoniakemissionen und der Wassergehalt wichtiger für den pH-Wert von atmosphärischen Aerosolen als die Zusammensetzung ihrer Trockenmasse

10. September 2020

Aerosole sind winzige feste oder flüssige Schwebteilchen in der Luft. Sie beeinflussen das Klima, da sie Sonnenlicht absorbieren oder streuen und als Wolkenkondensationskeime fungieren. Als Feinstaub können Aerosolpartikel auch unsere Gesundheit negativ beeinflussen.

Ein großer Teil des Feinstaubs besteht aus Nitrat-, Sulfat- und Ammoniumionen, deren Bildung stark vom Säuregehalt bzw. pH-Wert der Aerosole beeinflusst wird. Je nach Region variiert der Aerosol-pH von etwa 1 bis 6. Was diese starken Schwankungen bewirkt, war bisher jedoch unklar.

Forscherinnen und Forscher fanden nun heraus, wie wichtig der Wassergehalt und die Gesamtmassenkonzentration der Aerosolpartikel für ihren pH-Wert sind. Ein Team unter der Leitung von Yafang Cheng und Hang Su vom Max-Planck-Institut für Chemie stellte fest, dass diese Faktoren wichtiger sein können als die Zusammensetzung der trockenen Partikelmasse. Für besiedelte kontinentale Gebiete mit hohen anthropogenen Ammoniakemissionen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie zeigte sich, dass der Aerosol-pH durch das konjugierte Säure-Base-Paar NH4+/NH3 effizient gepuffert und auf verschiedenen Niveaus stabilisiert werden kann.

Die jetzt im Forschungsjournal „Science“ veröffentlichten Untersuchungen begannen mit der Frage, ob und wie der pH-Wert von Aerosolen in verschiedenen Kontinentalregionen gepuffert wird. Von einer Pufferwirkung spricht man, wenn sich der pH-Wert eines Stoffgemisches bei Zugabe von Säuren oder Laugen nur geringfügig ändert.

Um diese Frage zu lösen, entwickelten die Mainzer Wissenschaftler eine neue Theorie der „Multiphasen-Pufferung in Aerosolen“. Sie analysierten atmosphärische Messdaten und führten globale Modellsimulationen der Aerosolzusammensetzung und des Säuregehalts durch.

Neue Multiphasen-Puffertheorie

„Wir fanden heraus, dass das Säure-Base-Paar NH4+/NH3 den Aerosol-pH über den meisten besiedelten Gebieten puffert, obwohl der Säuregehalt um mehrere pH-Einheiten variieren kann“, sagt Yafang Cheng, Leiterin einer Minerva-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemie. „Unterschiede im Wassergehalt sind für 70 bis 80 Prozent der
weltweiten Variabilität der Aerosol-pH-Werte in ammoniakgepufferten Regionen verantwortlich. Dies war zuvor nicht bekannt und kann nun durch unsere neue Multiphasen-Puffertheorie erklärt werden“, fügt sie hinzu.

Die Max-Planck-Forscher nutzen ihr Modell speziell dazu, um die Aerosolzusammensetzung und den Säuregehalt für zwei sehr unterschiedliche geografische Regionen und Bedingungen zu vergleichen: Im Südosten der Vereinigten Staaten ist die Luft im Sommer vergleichsweise sauber. Die wenigen atmosphärischen Aerosolpartikel enthalten wenig Wasser und haben pH-Werte von etwa 1. Hingegen ist in der nordchinesischen Ebene um Peking die Aerosolkonzentration in der Luft im Winter typischerweise hoch mit hohem Wassergehalt bei pH-Werten um etwa 5.

„Wir fanden heraus, dass diese großen Unterschiede im Aerosol-pH hauptsächlich auf Unterschiede in der Gesamtkonzentration und im Wassergehalt der Aerosolteilchen zurückzuführen sind, wohingegen frühere Studien den Nitratgehalt der Teilchen dafür verantwortlich machten", erklärt Guangjie Zheng, Postdoc in der Gruppe von Yafang Cheng.

„Weltweit sind die atmosphärischen Aerosole in etwa 70% der städtischen Gebiete durch Ammoniak gepuffert“, resümiert Hang Su, wissenschaftlicher Gruppenleiter in der Abteilung für Multiphasenchemie des Mainzer Instituts. „Der neuentdeckte Multiphasen-Puffermechanismus ist daher wichtig, um die Bildung Smog und den Einfluss von Aerosolen auf die menschliche Gesundheit und das Klima im Anthropozän zu verstehen.“

Die neuen Ergebnisse des Teams um Yafang Cheng und Hang Su zeigen nicht nur, dass der starke menschliche Einfluss auf die Ammoniakemissionen und den Stickstoffkreislauf den Aerosol-pH und die Multiphasenchemie der Atmosphäre im Anthropozän prägen. Sie verbessern auch das Verständnis dafür, wie sich Luftverschmutzung bildet und welche Kontrollmaßnahmen dagegen getroffen werden können.

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