Stalagmiten als Kronzeugen des Monsuns

Grönländisches Schmelzwasser stoppte Golfstrom und schwächte Indischen Sommermonsun vor mehr als 100.000 Jahren

18. November 2021

Die Eisschilde Grönlands schmelzen massiv. Dadurch fließen große Mengen an Süßwasser in den Nordatlantik und verlangsamen den Golfstrom. Forschende fürchten spürbare Auswirkungen auf das Klima weltweit. Als besonders gefährdet gelten dicht besiedelte, tropische Gebiete, die für ihre Süßwasserversorgung auf Monsunregenfälle angewiesen sind. Um verlässliche Prognosen für zukünftige Klimabewegungen treffen zu können, blicken Klimaforscher weit zurück in die Vergangenheit. Ein internationales Team um Jasper Wassenburg vom Max-Planck-Institut für Chemie rekonstruierte nun, wie der Indische Sommermonsun auf Schmelzwasserpulse in den Nordatlantik am Ende der vorletzten Kaltzeit reagierte. Damit liefern die Wissenschaftler wertvolle Informationen für ein besseres Verständnis der globalen Folgen des laufenden anthropogenen Klimawandels.

Vor mehr als 100.000 Jahren erlebte unsere Erde den vorletzten Wechsel von einer Kalt- in eine Warmzeit. Während dieser Übergangsphase hat grönländisches Schmelzwasser den Golfstrom massiv beeinflusst. „Zwei aufeinanderfolgende Episoden riesiger Süßwasserabflüsse in den Nordatlantik haben den Golfstrom zunächst geschwächt und später sogar zum vollständigen Versiegen gebracht. Das wiederum hat den Indischen Mosun gemindert“, erläutert der Mainzer Geowissenschaftler Jasper Wassenburg. Das Zeitintervall von vor 147.000 bis 125.000 Jahren eignete sich demnach ideal, um die klimatischen, wechselhaften Verhältnisse von damals mit den heutigen zu vergleichen.

Tropfsteinhöhle Jiangjun: uralter Klimadatenspeicher im Südwesten Chinas

Als Zeugen der Vergangenheit nutzte die Forschungsgruppe die Stalagmiten in der Tropfsteinhöhle Jiangjun im Südwesten Chinas, einer Region, die sensibel auf den Indischen Sommermonsun reagiert. „Im kontinentalen Klima gibt es als Klimaarchiv nichts Besseres als Stalagmiten, denn sie bieten eine unvergleichlich hohe Datierungspräzision über viele Jahrtausende hinweg“, betont Hubert Vonhof, der maßgeblich an der Studie beteiligt war und am MPIC die Forschungsgruppe Anorganische Gasisotopen-Chemie leitet. Die Tropfsteinproben erhielten sie von ihren chinesischen Kollegen der Universität Xi’an Jiaotong University, Chinese Academy of Sciences, CAGS.

Für die Analyse und Interpretation der Aufzeichnungen verwendeten die Forschenden eine Kombination neuartiger Proxydaten, also indirekten Anzeigern für Klimaereignisse, die am MPIC entwickelt wurden. So waren die Wissenschaftler erstmals in der Lage, Temperaturschwankungen und Änderungen der Niederschlagsmenge und -dauer des Indischen Sommermonsuns als Reaktion auf die Schmelzwasserereignisse getrennt voneinander zu messen und zu rekonstruieren.

Die Temperaturmessungen des speziell für diesen Zweck entwickelten Paläothermometers zeigten der Gruppe ein deutliches Bild: Die kleineren Schmelzwasserereignisse vor 139.000 Jahren, die den Golfstrom verlangsamten, sorgten lediglich für eine Verkürzung der Monsunzeit.

Reaktion des Monsunklimas auf Schmelzwasser in der vorletzten Kaltzeit

Dramatischere Folgen machten die Messungen der mikroskopisch kleinen Wassermengen sichtbar, die in den Stalagmiten eingeschlossen waren. Demnach verringerten die großen Mengen an Schmelzwasser, die vor 133.000 Jahren in den Atlantik austraten und die Ozeanzirkulation quasi zum Erliegen brachten, die Intensität der Regenfälle des Indischen Sommermonsuns in Südwestchina drastisch. „Die Studie entschlüsselt in noch nie dagewesener Detailtreue, wie das Monsunklima damals auf die Schmelzwasserimpulse reagierte. Wir haben damit einen großen Schritt vorwärts gemacht, um die globalen Folgen des heutigen vom Menschen verursachten Klimawandels besser zu verstehen“, fasst Hubert Vonhof die Ergebnisse zusammen.

Zur Redakteursansicht