Satellit spürt den Schadstoff-Ausstoß von Metropolen auf
Aus Satellitenmessungen der aktuellen Stickoxid-Belastung lassen sich mit einem mathematischen Kniff die ursprünglichen Emissionen ermitteln
Die Stickoxidmengen, die in Ballungszentren in die Luft gelangen, lassen sich künftig unabhängig von Hochrechnungen und Modellsimulationen bestimmen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie bestimmen aus Satellitendaten zur aktuellen Schadstoffbelastung und Wetterdaten, wie lange die Stickoxide in der Atmosphäre bleiben. Aus der Verweildauer und der aktuellen Belastung errechnen sie dann den ursprünglichen Ausstoß. Die Erfassung der Emissionen ermöglicht gezielte Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Bislang werden die Emissionen anhand von Hochrechnungen abgeschätzt, was oft zu ungenauen Ergebnissen führt.
In Großstädten entweichen Unmengen an Schadstoffen in die Atmosphäre. So entstehen besonders im Verkehr täglich tausende Tonnen an gesundheitsschäd-lichen Stickoxiden, die in vielen Ländern noch ungefiltert in die Luft strömen. Wie hoch die Emissionen im Schnitt sind, ermitteln Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz mit Kollegen der Universität Heidelberg und des königlich-niederländischen meteorologischen Instituts de Bilt nun erstmals anhand umfangreicher Messungen des Satelliteninstruments OMI, das die weltweite Stickoxid-Belastung misst.
„Wir haben einen unabhängigen Weg gefunden, aus den Satelliten-Daten die durchschnittliche Verweildauer des Stickoxids in der Luft zu bestimmen“, sagt Steffen Beirle, Erstautor der Studie, die jetzt im Fachmagazin Science veröffentlicht wird. Nur wenn die Forscher wissen, wie lange eine Substanz in der Atmosphäre bleibt, können sie nämlich aus der aktuellen Belastung berechnen, wie viel von dem Stoff ursprünglich ausgestoßen wurde.
Die freigesetzten Abgasmengen werden weltweit zwar seit Jahren in Emissionskatastern erfasst. Allerdings basieren diese Kataster meist auf Hochrechnungen von Verkehr und Energieverbrauch der jeweiligen Staaten, die besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern oft noch sehr ungenau sind oder nicht existieren.
Ihre unabhängige Methode haben die Forscher unter anderem auf die saudi-arabischen Hauptstadt Riad angewendet, die in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist und daher unter immer höheren Stickoxidbelastungen zu leiden hat. Als Testfall für die Mainzer Methode eignet sich die Metropole besonders gut, weil sie isoliert auf der arabischen Halbinsel liegt, so dass sich ihre Stickoxid-Emissionen nicht mit denen anderer wesentlicher Quellen vermischen, was die Analyse zusätzlich erschweren würde.
Um die durchschnittliche Verweildauer der Stickoxide zu bestimmen, untersuchten die Wissenschaftler, wie schnell diese in der Abgasfahne abgebaut werden. Um klare Abgasfahnen in den Satellitendaten erkennen zu können, bedienten sie sich dabei eines Tricks: Sie nutzten Wetterdaten, um die Messergebnisse von OMI für acht verschiedene Windrichtungen sowie für Windstille zu sortieren, und getrennte Karten der mittleren Stickoxidbelastung um Riad zu erstellen. Mit einer mathematischen Operation können daraus die Verweildauer des Stickoxids in der Atmosphäre und damit die tatsächlichen Emissionen in Riad ermittelt werden.
„Unsere Methode der Emissionsbestimmung von Stickoxiden ist unabhängig von bisherigen Verfahren und kann weltweit auf Megastädte angewandt werden“, sagt Steffen Beirle. Die so ermittelten Daten können helfen, die globalen Modelle der Atmosphärenchemie zu optimieren. Die Daten helfen letztlich aber auch, Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung besser an die lokalen Gegebenheiten anzupassen.
Die Arbeit der Mainzer Forscher war Bestandteil des Europäischen Forschungsprojekts MEGAPOLI, dessen Ziel es ist, globale Klimaeffekte der Luftverschmutzung von Megastädten zu ermitteln. An MEGAPOLI sind 22 renommierte Forschungsinstitutionen beteiligt.