Katalysator für saubere Regenwaldluft

Der Pflanzenduft Isopren puffert die Selbstreinigungskapazität der Atmosphäre

26. Februar 2012

In der Erdatmosphäre landen jedes Jahr Milliarden Tonnen natürlicher und anthropogener Gase. Würden sie nicht durch chemische Reaktionen wieder entfernt, wäre die Erderwärmung wesentlich größer und die Luftqualität deutlich schlechter. Das wichtige Säuberungsmittel der Atmosphäre ist das Hydroxylradikal (OH-Radikal), das flüchtige organische Verbindungen wie Methan und Isopren oxidiert. Diese Gase werden durch die Reaktion mit dem kurzlebigen aber hochreaktiven Molekül wandelt die Gase in wasserlösliche Bestandteile um, die mit dem Regen aus der Atmosphäre entfernt werden. Bei der Oxidation entstehen aber auch Ozon und Aerosolpartikel, was wiederum die Luftqualität und das regionale Klima beeinflusst.

Messungen des OH-Radikals über tropischen Regenwäldern lassen vermuten, dass die OH-Radikale nach einer Reaktion mit Isopren recycelt werden. Isopren ist ein natürliches Pflanzengas, das in großen Mengen durch die Vegetation in die Atmosphäre emittiert wird. Schätzungsweise produzieren Pflanzen jährlich etwa 500 Millionen Tonnen des Kohlenwasserstoffs, wobei der größte Teil bei Tag in den tropischen Regenwäldern entsteht.

Bisher war unklar, wie die chemische Wiederverwertung abläuft. So stimmten nämlich Modellrechnungen und OH-Messungen beispielsweise über den tropischen Regenwäldern nicht überein. Wissenschaftler dachten, dass Isopren nur zum Abbau der OH-Radikale beitrage.

„Wir haben entdeckt, dass das System komplexer ist, denn die Oxidation von Isopren trägt sowohl zum Abbau wie auch zur Bildung der OH-Radikale bei, so dass sich die Reaktion selbst puffert“, sagte Domenico Taraborrelli, Erstautor einer neuen Studie. „Die Effizienz, mit der OH-Radikale gebildet werden, hängt also von ihrer Menge ab. Ist die OH-Konzentration hoch, wird wenig recycelt, ist sie niedrig, entsteht viel“, ergänzt der Atmosphärenchemiker.

Um Messungen und Theorie besser abzugleichen, erweiterten die Wissenschaftler ein globales Modell der Atmosphärenchemie um eine komplexe Kaskadenreaktion. Hiernach wird Isopren durch OH-Radikale in ungesättigte Hydroperoxyaldehyde umgewandelt. Bei Sonnenschein und geringer OH-Radikalmenge kommt es durch die weiter oxidierten Isopren-Abbauprodukte zu einer Nettoproduktion von OH-Radikalen. Ist die OH-Konzentration hingegen hoch, wird das Radikal bei der Oxidation der Abbauprodukte in der Bilanz aufgebraucht.

Für die Wechselwirkung zwischen Biosphäre und Atmosphäre ist die Stabilisierung der OH-Radikalmenge sehr bedeutsam, da große Waldgebiete ihre Selbstreinigungskraft erhalten können.

„Unsere Ergebnisse bedeuten auch, dass steigende Isopren-Emissionen, wie wir sie durch die globale Erwärmung erwarten, nicht zur Steigerung des Klimaeffekts beitragen“, schlussfolgert Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. „Das ist zwar keine Entwarnung, zeigt aber, dass natürliche Ökosysteme und ihre atmosphärische Umgebung besser gepuffert sind, als man vermutete.“

Als nächstes wollen die Mainzer Forscher untersuchen, wie stabil die Oxidationsfähigkeit der Atmosphäre gegenüber Störungen wie der plötzlichen Freisetzung von Methan aus Permafrostböden ist. Durch den weltweiten Temperaturanstieg tauen nämlich große Gebiete zum Beispiel in Russland auf und könnten riesige Mengen an Methan, einem starken Treibhausgas, freisetzen und so die Erderwärmung verstärken.

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