Organische Glasperlen in der Luft

Natürliche organische Aerosolpartikel sind glasartig und weniger reaktiv als erwartet

27. Oktober 2010

Lange wurde angenommen, dass organische Aerosol-Partikel in der Atmosphäre in flüssiger Form vorlägen. Laut einer aktuellen Veröffentlichung in Nature können sie jedoch auch als glasartig amorphe Festkörper vorliegen. Diese Entdeckung erfordert ein Überdenken der chemischen und physikalischen Auswirkungen dieser Partikel auf die Luftqualität und unser Klima.

Aerosol-Partikel aus organischer Materie findet man überall in der Atmosphäre. Aus flüchtigen organischen Komponenten, die meist aus Pflanzen stammen (z.B. Terpene aus Nadelbäumen), entstehen durch  Oxidation sogenannte sekundäre organische Aerosole (SOA). Die SOA-Partikel beeinflussen das Erdklima, indem sie Sonnenstrahlen streuen und als Kondensationskerne für die Bildung von Wolken und Niederschlag dienen. Bisherige Modelle zur Entstehung und zum Verhalten dieser Partikel nahmen an, dass sie flüssig sind. Allerdings deuteten neuere Laborexperimente darauf hin, dass die Partikel - ähnlich wie Glas - als amorphe Festkörper vorliegen. Man kann sich vorstellen, dass sie wie winzig kleine Glasperlen mit Durchmessern von wenigen Nanometern (Millionstel Millimetern) in der Luft schweben.

Finnische, amerikanische und deutsche Wissenschaftler, darunter auch der Mainzer Max-Planck-Forscher Dr. Ulrich Pöschl, veröffentlichten jetzt Messergebnisse aus Pflanzenkammern und Feldexperimenten in finnischen Wäldern, wonach sich pflanzliche SOA-Partikel tatsächlich wie glasartig amorphe Festkörper verhalten. Einige atmosphärische Prozesse müssen nun neu beurteilt werden. Hierzu zählen:

  • die Verteilung von organischen Komponenten zwischen Luft und Partikeln,

  • die Fähigkeit der SOA-Partikel, Feuchtigkeit zu absorbieren und Wolken zu bilden,

  • und die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen, welche die Lebensdauer der Partikel und der in ihnen enthaltenen Komponenten beeinflussen.

„Der amorphe Festkörperzustand schützt die organischen Komponenten vor Oxidation durch Ozon, OH-Radikale und andere Photooxidantien“, sagt Ulrich Pöschl als Mitautor der Studie. „Molekulare Transportprozesse laufen in festen Partikeln viel langsamer ab als in flüssigen Tröpfchen. Der Phasenzustand – flüssig oder fest – hat daher große Auswirkungen auf das chemische Altern von Aerosol-Partikeln. Das umfasst auch die Veränderung von toxischen und allergenen Substanzen im luftgetragenen Feinstaub, wie z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in Ruß und allergene Proteine in Biopartikeln (Pollen, Pilzsporen, etc.). In aktuellen und zukünftigen Studien versuchen wir den Einfluss verschiedener Phasenzustände der Partikel auf die Klima- und Gesundheitseffekte von Aerosolen zu quantifizieren“, erläutert er weiter.

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