Stellungnahme zur Wirksamkeit und Nutzung von Gesichtsmasken gegen COVID-19

Prof. Dr. Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Prof. Dr. med. Christian Witt, Seniorprofessor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

29. Juni 2021

Gesichtsmasken sind ein seit langem etabliertes und wirksames Mittel gegen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten durch die Atemluft. Unsere Untersuchungen und andere wissenschaftliche Studien zeigen, dass Gesichtsmasken das COVID-19-Infektionsrisiko bzw. die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von SARS-CoV-2 durch die Luft deutlich verringern können. Grundsätzlich schützen Masken sowohl jene Personen, die sie tragen, als auch Personen in deren Umgebung vor der Übertragung von Infektionskrankheiten durch Aerosolpartikel und größere Tröpfchen in der Atemluft (Aerosolübertragung und Tröpfcheninfektion).

Je besser die Maske, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion. Mit einer einfachen OP-Maske oder einer guten Stoffmaske (Mund-Nasen-Schutz, MNS) reduziert man das Risiko der Übertragung von SARS-CoV-2 durch die Luft für sich selbst und für die Umgebung typischerweise um einen Faktor von etwa zwei bis vier, mit einer gut sitzenden FFP2-Maske sogar um einen Faktor von etwa 10 oder mehr. Wenn sowohl die infektiösen Personen als auch die suszeptiblen Personen Masken tragen, multiplizieren sich die Effekte und die Schutzwirkung ist noch größer.

Da selbst FFP2-Masken nicht vollständig dicht sind und einen kleinen Anteil der Aerosolpartikel in der Atemluft durchlassen, können sie das Infektionsrisiko zwar stark verringern, aber dennoch keine absolute Sicherheit bieten. Dasselbe gilt jedoch auch für andere Schutzmaßnahmen, einschließlich der Immunisierung durch Impfung – bei COVID-19 ebenso wie bei anderen Gefahren für die menschliche Gesundheit. Beispielsweise bieten Sicherheitsgurte, Kopfstützen und Airbags bei Autounfällen auch keine absolute Sicherheit, werden dennoch standardmäßig eingesetzt und können Gesundheitsschäden vermeiden bzw. geringhalten, solange die einwirkenden Kräfte nicht zu hoch sind.

Analog dazu wirken Masken sehr gut, solange die Belastung mit Viren nicht allzu hoch wird. Wenn man sich jedoch über längere Zeit in einer sehr stark belasteten Umgebung aufhält, z.B. in Krankenzimmern mit sehr hoher Viruslast oder in schlecht gelüfteten Räumen mit hoch infektiösen Personen (sogenannten „Super-Spreadern“), können selbst FFP2-Masken nicht verhindern, dass die eingeatmete Menge an Viren zu einem sehr hohen Ansteckungsrisiko führt. In solchen Fällen geht die Infektionswahrscheinlichkeit mit oder ohne Maske gegen eins, und stärkere Schutz¬maßnahmen sind erforderlich, um Infektionen zu verhindern - beispielsweise belüftete Schutzanzüge wie in Hochsicherheitslaboratorien. Um eine hohe Wirksamkeit von Gesichtsmasken sicherzustellen, sollten diese nach Möglichkeit mit anderen Vorsichtsmaßnahmen kombiniert werden – insbesondere mit guter Durchlüftung und mit kurzen Aufenthaltszeiten in potentiell belasteten Innenräumen.

Würden Gesichtsmasken von einem großen Teil der Bevölkerung konsequent bei allen persönlichen Kontakten genutzt, so könnte diese Maßnahme sogar ausreichen, um die effektive Reproduktionszahl von COVID-19 unter eins zu halten und die Pandemie einzudämmen. In der Praxis ist eine konsequente Nutzung von Masken bei allen persönlichen Kontakten jedoch kaum zu realisieren, insbesondere im privaten Bereich und beim Essen und Trinken in Gesellschaft.
Aktuelle Abschätzungen ergeben, dass auch die Immunisierung durch Impfung für sich alleine vorerst nicht hinreichend sein dürfte, um die effektive Reproduktionszahl dauerhaft unter eins zu halten – insbesondere solange der Anteil immunisierter Personen in der Bevölkerung nicht über rund 70% liegt. Letzteres gilt für eine Basisreproduktionszahl von etwa drei, wie ursprünglich für COVID-19 beobachtet. Für infektiösere Varianten von SARS-CoV-2 wären eher höhere Immunisierungsgrade erforderlich. Je schneller die Pandemie durch Verwendung von Masken in Kombination mit anderen Maßnahmen eingedämmt werden kann, umso geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Mutanten des Virus ausbreiten.

Aktuelle Entwicklungen in Gro߬britannien und anderen Ländern zeigen, dass zunehmend infektiösere Varianten von SARS-CoV-2 klinisch bedeutsam werden, und dass trotz Impffortschritten weiterhin die Gefahr einer Fortsetzung bzw. eines Wiederaufflammens der Pandemie besteht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Impfschutz bzw. die Immunisierung von Geimpften und Genesenen mit der Zeit nachlässt und zur Aufrechterhaltung voraussichtlich auch Nachimpfungen erforderlich sein werden. Speziell für vulnerable Gruppen bleiben Masken daher auch weiterhin eine wichtige Schutzmaßnahme – insbesondere für immunsupprimierte Patienten wie Transplantations-, Rheuma- oder Tumor-Patienten. Die Vorsorge gilt nicht nur schweren akuten Verläufen von COVID-19, sondern auch den langfristigen Folgen (Long COVID).

Um die Infektionszahlen geringzuhalten, sollten Gesichtsmasken also auch weiter genutzt und mit Impfen, Lüften, Abstandhalten, Testen und Handhygiene kombiniert werden, bis ein ausreichend hoher Immunisierungsgrad in der Bevölkerung erreicht ist. In diesem Zusammenhang wären verbesserte Lüftungsmaßnahmen insbesondere für Schulen zu empfehlen und einfach umzusetzen.

Welche Art von Masken in welchem Umfeld empfohlen oder vorgeschrieben werden sollten, ist eine Frage der medizinischen, gesellschaftlichen, und politischen Gesamteinschätzung. Für sensible medizinische Bereiche sowie für schlecht gelüftete und dicht besetzte Innenräume erscheint die Verwendung von FFP2-Masken weiterhin indiziert. Für andere Bereiche und Tätigkeiten mögen fallbezogene Ausnahmeregelungen oder Empfehlungen für das Tragen einfacher OP-Masken oder Stoffmasken ausreichend sein.

Bei engem Kontakt und in dichten Menschenmengen sind Masken übrigens weiterhin auch im Freien empfehlenswert, um das Risiko einer Tröpfcheninfektion gering zu halten. Dort können selbst einzelne millimetergroße Tröpfchen aus der Atemluft hochinfektiöser Personen zu Neuinfektionen führen, diese werden aber auch von einfachen Masken praktisch vollständig zurückgehalten. Folglich erscheint eine differenzierte Herangehensweise bezüglich der Verwendung, Empfehlung oder Verordnung verschiedener Maskentypen für verschiedene Bereiche und Tätigkeiten ratsam – sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene.

In der Eigenverantwortung für den Selbstschutz und den Schutz der Mitmenschen vor COVID-19 ist die Maske ein besonders einfach einsetzbares und wirksames Mittel. Daher möchten wir zur Aufklärung und zum Verständnis der Wirksamkeit von Masken beitragen, und hoffen, dass sich eine Art „Maskenkultur“ im Sinne der zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Verantwortung entwickelt. Ja, die Maske ist zuweilen lästig, aber ihr hohe Schutzwirkung gegen Infektionen spricht für den weiteren Einsatz in Innenräumen und Menschenmengen – auch im Hinblick auf die neue, noch infektiösere Delta-Variante von SARS-CoV-2.

Obwohl wir selbst bereits geimpft sind, wollen wir zunächst weiterhin FFP2-Masken tragen, unter anderem wenn wir einkaufen gehen und fremde Personen in Innenräumen treffen, auch falls die Regeln dafür gelockert werden sollten. Um sich und andere vor Infektionen und vor einem Wiederaufflammen der Pandemie zu schützen, wäre es wünschenswert, dass bis zum Ende der Pandemie möglichst viele Menschen bei längeren Kontakten in schlecht gelüfteten Innenräumen und bei dicht gedrängten Menschenansammlungen FFP2-Masken oder zumindest OP-Masken bzw. einfache Stoffmasken nutzen.

Gesichtsmasken sind sehr einfache und wirksame Mittel gegen die Übertragung von COVID-19, die mit vergleichsweise geringem Aufwand jederzeit und an jedem Ort eigenverantwortlich aufgesetzt werden können, um die Pandemie nachhaltig einzudämmen. Damit hat jeder Mensch eine der effektivsten Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 ebenso wie gegen andere luftübertragene Infektionskrankheiten stets selbst zur Hand.


Referenzen:
Y. Cheng et al., Face masks effectively limit the probability of SARS-CoV-2 transmission, Science, 2021, https://doi.org/10.1126/science.abg6296
J. Lelieveld et al., Model Calculations of Aerosol Transmission and Infection Risk of COVID-19 in Indoor Environments, Int. J. Environ. Res. Public Health, 2020, https://doi.org/10.3390/ijerph17218114
M. Pöhlker et al., Respiratory aerosols and droplets in the transmission of infectious diseases, arXiv.org, 2021, https://arxiv.org/abs/2103.01188
F. Drewnick et al., Aerosol filtration efficiency of household materials for homemade face masks: Influence of material properties, particle size, particle electrical charge, face velocity, and leaks, Aerosol Sci. Technol., 2021, https://doi.org/10.1080/02786826.2020.1817846
T. Klimach und F. Helleis, Lüftung von Schulräumen, https://ventilation-mainz.de/lowcostVent_MPIC_german.pdf
F. Dinklage et al., So schnell verbreitet sich das Coronavirus in Innenräumen, ZEIT ONLINE, 26.11.2020, https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-11/coronavirus-aerosole-ansteckungsgefahr-infektion-hotspot-innenraeume
Johns Hopkins University & Medicine, Coronavirus Resource Center, https://coronavirus.jhu.edu/
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Schwerpunktseite zum Thema Coronavirus (SARS-CoV-2), https://www.charite.de/klinikum/themen_klinikum/themenschwerpunkt_coronavirus/



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