Ventilator-Fensterlüften gegen COVID-19 und für gute Luft in Schulklassen 

Eine interdisziplinäre Expertengruppe von AerosolforscherInnen, MedizinerInnen und GebäudetechnikerInnen empfiehlt Abluftventilatoren für wirksamen Infektionsschutz und nachhaltige Verbesserung der Luftqualität in Klassenräumen. 

30. September 2021

Umfangreiche experimentelle Untersuchungen, Messdaten, Modellrechnungen und viele praktische Anwendungsbeispiele an Schulen zeigen, dass einfaches Fensterlüften unterstützt durch Abluftventilatoren eine einfache und sehr wirksame Infektionsschutzmaßnahme gegen die Aerosolübertragung von COVID-19 ist. 

AerosolforscherInnen, MedizinerInnen und GebäudetechnikerInnen vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) in Mainz, vom Universitätsklinikum und Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und vom Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau der Technischen Universität Graz empfehlen daher in einer gemeinsamen Stellungnahme, möglichst viele Klassenräume mit Ventilator-Fensterlüftungssystemen auszustatten.

Funktionsweise und Vorteile des Ventilator-Fensterlüftens 

„Für ein funktionstüchtiges und wirksames Ventilator-Fensterlüftungssystem wird pro Klassenraum nur ein Abluftventilator in Kombination mit einem teilweise geöffneten Fenster benötigt“, erläutert Thomas Klimach, der maßgeblich zur Entwicklung des Ventilator-Fensterlüftens am MPIC und zum erfolgreichen Einsatz an zahlreichen Schulen in Mainz beigetragen hat (siehe Abbildung). 
Für besonders hohe Wirksamkeit können die Abluftventilatoren nach Bedarf und Verfügbarkeit durch weitere einfache technische Hilfsmittel wie Abzugsrohre und -hauben ergänzt werden. Auch nach der Pandemie können die Ventilator-Fensterlüftungssysteme weiter genutzt werden, um die Luftqualität in Klassenräumen hoch zu halten - besonders in schlecht lüftbaren Räumen sowie gegen die Ausbreitung von Erkältungskrankheiten und Grippewellen. 

Zur Nachhaltigkeit des Fensterlüftens erklärt Frank Helleis, Initiator des Klassenraum-Lüftungsprojektes und Leiter der Instrumentenentwicklung am MPIC: „In Schulklassen, wo viele Personen auf engem Raum zusammenkommen und Wärme sowie Feuchte abgeben, würde eine Rückgewinnung von Wärme oder Feuchte keine wesentlichen Vorteile bringen – weder für den Infektionsschutz noch für die Energiebilanz. Ventilator-Fensterlüftungs¬systeme eignen sich auch jenseits der COVID-19 Pandemie für nachhaltiges Lüften in Schulen – energiesparend, ressourcenschonend und klimafreundlich.“ 

Vergleich mit anderen Lüftungs- und Luftreinigungsmethoden 

Im Unterschied zu mobilen Luftreinigern verringern Ventilator-Fensterlüftungssysteme durch kontinuierliche Frischluftzufuhr auch die Belastung der Raumluft mit Kohlendioxid, das im menschlichen Atem zusammen mit potentiell infektiösen Tröpfchen bzw. Aerosolen freigesetzt wird und seit langem als Indikator für die Luftqualität in Innenräumen etabliert ist. 

In Klassenräumen, die wegen Lärm, Schadstoffbelastung der Außenluft oder anderen Gründen nicht gut lüftbar sind, kann es kurzfristig sinnvoll sein, das Fensterlüften bzw. die Frischluftzufuhr durch den Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten zu ergänzen. Mittelfristig könnte hier die Nachrüstung von dezentraler Raumlufttechnik mit Zuluftbehandlung bzw. ein Verdrängungsluftsystem mit Zuluftfiltration helfen. Den Einsatz von mobilen UV-C-Luftreinigern können die ForscherInnen jedoch nicht empfehlen. Es bleibt zu klären, welche Art von reaktiven Spurenstoffen in der Gasphase und an der Oberfläche von Aerosolpartikeln durch die UV-C-Strahlung gebildet bzw. freigesetzt werden können, und ob sich daraus negative Konsequenzen für Luftqualität und Gesundheit ergeben. Abgesehen davon bewirken UV-C-Luftreiniger im Unterschied zu Luftfiltergeräten keine Verringerung der Feinstaubbelastung von Innenräumen.

Kombination mit anderen Infektionsschutzmaßnahmen 

Das Lüften ist kein Ersatz für andere Infektionsschutzmaßnahmen. Es sollte nach Möglichkeit und Bedarf mit anderen Maßnahmen kombiniert werden (Impfen, Testen, Abstand, Handhygiene, Gesichtsmasken etc.). Dadurch kommt es nicht nur zu einer multiplikativen Verstärkung des Infektionsschutzes, sondern auch zu zusätzlichen Synergieeffekten – beispielsweise durch die gegenseitige Erhöhung der Wirksamkeit von Lüften und Masken in virusreichen Umgebungen. Im Vergleich zu Stoßlüften nur während der Pausen zwischen den Schulstunden kann das Infektionsrisiko durch verbessertes Lüften um einen Faktor im Bereich von etwa 2 bis 10 gesenkt werden – je nach Ausgangssituation und Lüftungs- bzw. Luftreinigungsmethode (Mischlüftung, Quellluft, Direktabsaugung, Luftfilterung; siehe Übersichtstabellen und Referenzen in der Stellungnahme ).

„Mit unserer gemeinsamen Stellungnahme und Empfehlung möchten wir den Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften und Verantwortlichen in Schulen, Behörden und Politik wissenschaftliche Orientierung und eine Entscheidungshilfe bieten, um möglichst effiziente Maßnahmen zu setzen“, erläutert Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. „Diese sollen nicht nur dem Infektionsschutz und einer raschen Eindämmung der Pandemie dienen, sondern auch einer nachhaltigen Verbesserung der Luftqualität in Schulen. Insgesamt bieten Ventilator-Fensterlüftungssysteme einfache, günstige und wirksame Abhilfe für Luftqualitätsprobleme in Schulen.“ 
 

 

Zur Redakteursansicht