Beginn der Neuausrichtung – die Luftchemie

Station 9

Die 1960er Jahre waren eine schwierige Zeit für das MPI für Chemie. Für seine Zukunft konnte man sich nicht zwischen Kosmochemie, Kernphysik oder anorganischer Chemie entscheiden. Einige mögliche Nachfolger für wissenschaftliche Abteilungen lehnten ab, und 1967 wurde die Auflösung des Instituts ernsthaft diskutiert.

Mit der Berufung des Meteorologen Christian Junge für den Bereich Luftchemie bekam das Institut 1968 ein völlig neues Arbeitsgebiet – parallel zur Kernphysik und Kernchemie wurden erste Fragen aus dem Bereich der Umweltwissenschaften gestellt. Die heutige Abteilung Atmosphärenchemie entstammt der Forschung, die Junge nach Mainz brachte.

Über die Erfindung der Luftchemie durch Christian Junge erfahren Sie mehr in dem englischsprachigen Artikel von Prof. Dr. Ruprecht Jaenicke "The invention of Air Chemistry – Christian Junge".

Während Junge sich auf die Eigenschaften und die Verbreitung von atmosphärischen Aerosolen konzentrierte, kombinierte sein Nachfolger Paul Crutzen ab 1980 Messungen mit ersten Modellierungen der chemischen Prozesse in der Troposphäre. Mit Crutzen und der Erklärung, wie das Ozonloch entstand, rückte auch die Ozonolyse, die Reaktion von Ozon mit Kohlenwasserstoffen, in den Blickpunkt des Instituts. Heute konzentriert sich die Abteilung unter Jos Lelieveld auf Photooxidationsmechanismen, die zentral für die Selbstreinigung der Atmosphäre sind.


 

Ozon-Experimente hinter Glas

Exponat 9: Glaskugel

Die Glaskugel diente bis zum Jahr 2010 als riesiges Reaktionsgefäß in der Abteilung für Chemie der Atmosphäre. Man konnte darin Experimente mit Gasen wie Ozon unter kontrollierten Bedingungen ablaufen lassen und die chemischen Reaktionen mit Messinstrumenten verfolgen, die an den Öffnungen angebracht waren. Die 500 Liter große Kugel wurde in den 1990er Jahren am Institut in der Arbeitsgruppe Moortgat von Osamu Horie entworfen und von der Firma Schott in Mainz gefertigt. Viele Mess- und Steuerungsapparaturen stellten die Werkstätten des Instituts her.

In den ersten Jahren untersuchten die Forscherinnen und Forscher gasförmige Stoffe, die bei der Ozonolyse entstehen - der Reaktion von Ozon mit Kohlenwasserstoffen. Der Fokus lag auf atmosphärischen Terpenen. Das sind Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen in die Atmosphäre abgegeben werden. Mit Hilfe der Apparatur konnte die Rolle der so genannten Criegee-Zwischenprodukte aus der Ozonolyse von atmosphärischen Terpenen aufgeklärt werden.

Zu den Messinstrumenten zählten ein Infrarotabsorptionsspektroskop, ein Flüssigkeitschromatograph und ein Ionenchromatograph. Um Anzahl, Größe und chemische Zusammensetzung von Aerosol-Partikeln zu erfassen, die bei der Ozonolyse entstehen, wurde die Anlage durch ein Massenspektrometer ergänzt.

Heutzutage  verwendet man zu Aerosoluntersuchungen oft größere Apparaturen aus Teflon. Daher wurde die Kugel abgebaut und als Anschauungsobjekt im Institutsneubau wieder aufgestellt.

 

Zur Redakteursansicht